„Trotz Wachstums ein Schreckensjahr“: Volksbank Lauterbach-Schlitz hadert mit starkem Zinsanstieg
von Dr. Volker Nies
Einlagen der Kunden, vergebene Kredite, Bilanzsumme – bei der Entwicklung all dieser Werte liegt die Volksbank Lauterbach-Schlitz über dem Schnitt der deutschen Genossenschaftsbanken. Dennoch bezeichnet der Vorstand das Jahr 2022 als „ein Schreckensjahr“.
Lauterbach - Die Bilanzsumme wuchs 2022 um 8,5 Prozent auf 762 Millionen Euro – ein Wachstum doppelt so hoch wie im Schnitt der Genossenschaftsbank. Die vergebenen Kredite nahmen um 12,2 Prozent auf 432 Millionen Euro zu, die Einlagen der Kunden stiegen um 15,8 Prozent auf 499 Millionen Euro, berichteten Vorstandschef Norbert Lautenschläger (58) und Vorstandsmitglied Alexander Schagerl (57) am Freitag bei der Vorstellung der Bilanz 2022.
2021 hatte die Volksbank Lauterbach-Schlitz einen Gewinn von 1,2 Millionen Euro erwirtschaftet.
Auch bei einer Cost-Income-Ratio von 58 Prozent, die zeigt, dass die Bank 58 Cent aufwenden musste, um einen Euro zu verdienen, liegt die Lauterbacher Volksbank deutlich besser als der Schnitt vergleichbarer Banken. Und selbst das Geschäft im Verbund, also die Umsätze der Bausparkasse Schwäbisch Hall, Union Investment und R+V-Versicherung liefen gut bis sehr gut.
Zudem zeigten sich die Volksbank-Kunden bei einer Befragung überdurchschnittlich zufrieden mit ihrem Institut, und bei einem Bankentest wurde die Volksbank in Lauterbach zum siebten Mal in Folge als „Beste Bank vor Ort“ ausgezeichnet – wobei der Wettbewerb um diesen Titel immer schwächer wird, nachdem nach der Deutschen Bank im vergangenen Jahr auch die Commerzbank ihre Filiale in der Vogelsberger Kreisstadt aufgegeben hat. Dennoch sind Lautenschläger und Schagerl mit dem Ergebnis des Jahres 2022 überhaupt nicht zufrieden.
Beide sprechen von „einem Schreckensjahr“. Denn der erwirtschaftete Jahresüberschuss sank gegenüber dem Vorjahr von drei auf eine Million Euro – obwohl das Betriebsergebnis vor der Bewertung mit 7,3 Millionen Euro fast stabil blieb. „Die Ursache für den stark geschrumpften Jahresüberschuss liegt allein in der Bewertung unserer festverzinslichen Anlagen. Wir haben kein Geld verloren, aber der Kurs unserer festverzinslichen Papiere lag zum Jahresende auf einem historischen Tief. Zum 31. Dezember müssen wir aber den Wert dieser Papiere bilanzieren“, erklärt Lautenschläger.
Die Volksbank hat, wie Lautenschläger erklärt, 99 Prozent ihrer Anlagen festverzinslich angelegt. Wenn sie diese Papiere jetzt zum aktuellen Kurs verkauft, dann würde sie Geld verlieren. Behält sie diese Papiere aber bis zum Ende der Laufzeit – was sie in jedem Fall tun will, dann macht sie keinen Verlust. In diesem und im nächsten Jahr werden die Banken mit einer weiteren Folge des Zinsanstiegs zu kämpfen haben, prognostiziert Schagerl: Die Kunden verlangen jetzt schon höhere Guthabenzinsen für ihre Ersparnisse, aber die Banken haben ihre Kredite langfristig zu niedrigen Zinsen vergeben.
„Auch wir erwarten deshalb jetzt ein oder zwei schwierige Jahre. Aber wir hatten in den vergangenen Jahren gute Ergebnisse. Wir können das gut verkraften. Banken, die weniger gut aufgestellt sind, werden zu kämpfen haben“, sagt Schagerl. Zudem hätten alle Institute mit einem wachsenden Mangel an Fachkräften zu kämpfen – selbst die Lauterbacher Volksbank, die eine hohe Ausbildungsquote von zehn Prozent hat. „Aus dieser Richtung könnte sich neuer Druck in Richtung Bankenfusionen entwickeln – nicht heute oder morgen, aber vielleicht in zwei Jahren. Wenn ich nicht mehr für drei, sondern nur noch für eine Bank die wachsenden, immer detaillierteren Anforderungen der Bankenregulierung erledigen muss, dann macht das viel aus“, sagt Lautenschläger. In diesem Jahr will die Volksbank weiter wachsen. Der Vorstand erwartet aber, dass das Wachstum geringen ausfallen wird als in den vergangenen Jahren.